Die Linien meiner Zwillingsschwester führen mich…
Wie eng das Werk der beiden seit der Trennung 1939 weit voneinander entfernt lebenden und doch immer einander nahen Schwestern Aichinger aufeinander bezogen ist, gibt sich nur in wenigen Momenten explizit zu erkennen. Am Nachmittag des 25. Oktober 1986 findet in der Villa des Graphikers Thomas Rücker in München-Bogenhausen eine Ausstellung mit Arbeiten von Helga Michie statt, die Friedrich Denk organisiert hatte. Für die Einladungskarte verfasst Ilse Aichinger einen Text, der in die Erstauflage von Kleist, Moos, Fasane (1987) aufgenommen wird und später noch einmal in Helga Michies Band Concord erscheint (2006). Die erzwungene Trennung, die Fähigkeit beider Zwillinge Distanz in Beziehung zu verwandeln (Die Dioskuren in Gumpendorf, Subtexte, 112), mündet in einen Dialog, der letztlich befreiend wirkt: Es ist rätselhaft, woher der Trost aus diesen Bildern kommt, aber er kommt.
Entwurf zum Text „Die Linien meiner Schwester“ aus der Mappe „Maulwürfe“ (Nachlass Ilse Aichinger, DLA)
Die Einladungsliste umfaßt bedeutende Personen aus dem damaligen Literaur- und Kulturbetrieb (Privatarchiv Friedrich Denk)