Ein neues Selbstbewusstsein
Starke Frauen erobern die Welt
Großartige Leistungen von Schriftstellerinnen, Musikerinnen, Malerinnen und vielen anderen Frauen beschämen all diejenigen, die dem weiblichen Geschlecht die Fähigkeit zu abstrakten und künstlerischen Leistungen aberkannt hatten oder es weiterhin tun. Nach wie vor sind die verschiedensten Karriere- und Lebenswege für Frauen mit offenkundigen oder gläsernen Steinen besät. Die weibliche Emanzipation hat schon viel erreicht, noch immer aber gilt: Es gibt noch viel zu tun!
1. Maria Lassnig, Künstlerin (1919-2014)
Maria Lassnig wurde zuerst mit ihrer „Körpergefühlsmalerei“ eine wichtige Impulsgeberin in der bildenden Kunst. 1980 vertrat sie gemeinsam mit VALIE EXPORT Österreich bei der Biennale in Venedig. Im selben Jahr übernahm sie an der Universität für angewandte Kunst in Wien als erste Frau im deutschsprachigen Raum eine Professur für Malerei. Dort gründete die mittlerweile international einflussreiche Künstlerin in ihrer Meisterklasse 1982 Österreichs einziges Lehrstudio für Trickfilm. Ebenfalls als erste Frau erhielt sie den Großen Österreichischen Staatspreis für bildende Kunst. 2013 wurde Maria Lassnig auf der Biennale von Venedig mit dem Goldenen Löwen für ihr Lebenswerk ausgezeichnet. Die 93-jährige Malerin war überwältigt, aber schon zu schwach, um den Preis selbst entgegenzunehmen.
2. Freda Meissner-Blau, Umweltaktivistin und Politikerin (1927-2015)
Freda Meissner-Blau wurde in Österreich zuerst durch ihr Engagement in BürgerInneninitiativen bedeutsam. Sie trug entscheidend dazu bei, dass die Inbetriebnahme des bereits gebauten Atomkraftwerks in Zwentendorf 1978 durch eine Volksabstimmung knapp verhindert werden konnte. Mit Mut und Überzeugung setzte sie sich auch in der Besetzung der Hainburger Au erfolgreich gegen den Bau des geplanten Donaukraftwerks ein. In die politische Landschaft Österreichs trat die Mitbegründerin der österreichischen Grünen erstmals 1986 mit ihrer Kandidatur als Bundespräsidentin. Sie kam zwar nur auf 5,5 Prozent der Stimmen, wurde aber nach der Gründung der Grünen Partei deren Spitzenkandidatin. Der jungen Partei gelang beim ersten Versuch der Einzug ins Parlament. Sie wurde daraufhin zur ersten weiblichen Parlaments-Klubchefin. Nach dem Ausscheiden aus der Politik arbeitete Meissner-Blau für internationale Gremien, schrieb Bücher und hielt viele Vorträge. Sie zog größtenteils alleine drei Kinder groß.
3. Maria Schaumayer, Wirtschaftswissenschaftlerin und Politikerin (1931-2013)
Maria Schaumayer war 1990-1995 Präsidentin der Österreichischen Nationalbank und damit die erste Frau weltweit, die einer nationalen Notenbank vorstand. Sie setzte sich für den Beitritt Österreichs in die EU ein und wirkte wesentlich an der Vorbereitung für die europäische Währungsreform mit. Die vormalige Wiener ÖVP-Stadträtin wurde von der Regierung für die Entschädigung von 150.000 ZwangsarbeiterInnen unter dem nationalsozialistischen Regime beauftragt. Mit großem Geschick konnte sie die internationalen Verhandlungen über dieses wichtige Kapitel in der österreichischen Geschichte erfolgreich abschließen. Nicht nur durch ihre Vorbildwirkung förderte Schaumayer österreichische Frauen in ihrer Karriere. In einem Interview betonte sie, wie wichtig es sei, öffentliches Bewusstsein für gläserne Decken zu schaffen, um sie zu sprengen. Sie selbst erfüllte dabei die Funktion einer Eisbrecherin. 1991 rief sie die Stiftung für Förderung von Frauen in Wirtschaft und Wissenschaft ins Leben. 2006 wurde sie als erste Frau Ehrenmitglied der Österreichischen Akademie der Wissenschaften.
4. Valie Export, Künstlerin (*1940)
Die geborene Waltraud Lehner machte sich vor allem in den späten 60er- und frühen 70er-Jahren als Performancekünstlerin einen Namen. Berühmtheit erlangte sie durch ihre Aktion „Tapp- und Tastkino“ im Jahr 1968, das sie erstmals im Rahmen des 1. Europäischen Treffens der Unabhängigen Filmemacher in München durchführte. Durch eine vor ihren Oberkörper gespannte Blechkiste ließ sie Menschen auf der Straße ihre Brüste zwölf Sekunden lang berühren.
Diese Aktion brachte das Kino direkt zu den Menschen und ließ sie über die Darstellung von Frauen in Filmen nachdenken. Die Aktion entblößte dieses Medium, das tatsächliche sexuelle Freiheit nur vortäuschte und wahre sexuelle Erfahrung vorenthielt. Seither zeigt die Medien-, Performancekünstlerin und Filmemacherin international Ausstellungen und nimmt an Film- und Videofestivals teil. 2015 wurde in Linz das VALIE EXPORT Center, eine internationale Forschungsstätte für Medien- und Performancekunst, gegründet.
5. Elfriede Jelinek, Schriftstellerin (*1946)
Im Jahre 2004 ging mit Elfriede Jelinek erstmals der Nobelpreis für Literatur an Österreich, für „den musikalischen Fluss von Stimmen und Gegenstimmen in Romanen und Dramen, die mit einzigartiger sprachlicher Leidenschaft die Absurdität und zwingende Macht der sozialen Klischees enthüllen“. Sie schreibt Romane, Essays und Theaterstücke und veröffentlicht seit dem Nobelpreis die meisten Werke nur mehr auf ihrer Webseite. Als Literatin sieht sie sich Unangemessenheiten gegenüber, die ihren männlichen Kollegen erspart bleiben. Nach wie vor muss etwa ihr berühmter Roman „Die Klavierspielerin“ stark biographistische Deutungen über sich ergehen lassen, die einer tiefgehenden Auseinandersetzung mit dem Werk entgegenstehen. Berüchtigt provokant bricht sie sprachliche und soziale Klischees auf und entblößt schonungslos unterdrückerische und ungerechte Klassen- und Geschlechterverhältnisse. Immer wieder setzt sie sich öffentlich gegen Fremdenhass und Gewalt ein. In ihrem Stück „Die Schutzbefohlenen“ verwendete sie Motive aus Aischylos Tragödie „Die Schutzflehenden“ und inszenierte die Situation von Asylwerbenden in einem Europa, in dem Menschenrechte für alle gelten sollten.
5. Olga Neuwirth, Komponistin (*1968)
Olga Neuwirth brachte sich mit bedeutender künstlerischer Produktivität in der Musik hervor – eine Kunstform, die Frauen traditionellerweise auf reproduktive Tätigkeiten reduzieren will. In der nach wie vor männlich dominierten Szene – was besonders existenzsichernde Professuren, Stipendien und gut dotierte Preise betrifft – wird sie weltweit geschätzt und rezipiert. Die zeitgenössische Komponistin wurde schon mit 22 Jahren durch Mini-Opern nach Texten von Elfriede Jelinek international bekannt. Die daraus entstandene Freundschaft inspirierte gegenseitig und bot Anlass für viele Kooperationen und Projekte. In persönlichen Aussagen lässt sich eine ähnliche Geisteshaltung der beiden Künstlerinnen erkennen. Neuwirth möchte bewusst und selbstständig denkende ZuhörerInnen, die in der Musik „das Gewohnte begreifen, das Herrschende überwinden und ins Unbekannte vorstoßen.“ 2010 erhielt sie als erste Frau den Großen Österreichischen Staatspreis in der Kategorie Musik.