Gesprengte Mieder

Verstecken und Befreien des weiblichen Körpers

Die Aufrechterhaltung der familiären Behaglichkeit in privater Sphäre galt für die bürgerliche Frau um 1800 als ihr oberstes Ziel, ihr Wirkungskreis umfasste im Wesentlichen Haushalt und Mutterschaft. Ob sie dieser „Berufung“ nun folgen wollte, stand nicht zur Debatte und so war die Teilnahme am öffentlichen, gar politischen Geschehen, für sie so gut wie undenkbar.

1. Rosa Mayreder, Künstlerin, Frauenrechtlerin (1858-1938) 

Eine Frau die sehr früh offensiv gegen den Strom der gesellschaftlichen Einengung des weiblichen Körpers schwamm, war Rosa Mayreder. Mein „Groll gegen das Mieder als Werkzeug der Beschränkung stieg im Laufe der Zeit so weit, daß ich es mit achtzehn Jahren einfach ablegte“, schrieb sie. Damit war sie 1876 ihrer Zeit fast um eine Generation voraus. 1902 war der Kampf gegen das Korsett noch immer lange nicht gewonnen und sie widmete, in der Zwischenzeit im Vorstand des „Allgemeinen Österreichischen Frauenvereins“, im März 1902 ein ganzes Heft ihrer Zeitschrift „Dokumente der Frauen“ diesem Thema. Einflussreiche Menschen aus der Welt der Kultur und Medizin schrieben darin gegen das gesundheitsschädigende Mieder an. Diese Nummer brachte der Zeitschrift den größten Erfolg ihres Bestehens.

Rosa Mayreder war begabte Malerin, deren Bilder von Wien über Berlin bis nach Chicago ausgestellt wurden, und auch Schriftstellerin, die für Hugo Wolfs Oper „Der Corregidor“ das Libretto verfasste und Novellen und Romane veröffentlichte. Ihre größte Stärke zeigte sie in philosophischen und sozialwissenschaftlichen Essays. Darin wandte sie sich gegen die Rollenfixierung und Diskriminierung der Frau und schuf Klassiker wie „Zur Kritik der Weiblichkeit“ (1905), „Geschlecht und Kultur“ (1923) oder „Der letzte Gott“ (1933). 1938 starb sie in Wien.

2. Emilie Flöge, Modedesignerin (1874-1952)

Sehr bald erkannte Emilie Flöge im Korsett ein Symbol für die gesellschaftliche Zwangsjacke, in die ihr Geschlecht gesteckt wurde. In diesen Panzern aus Fischbein und Stahlbändern wurden die Frauen zu stützbedürftigen, atemberaubenden und atemberaubten Fantasiegebilden degradiert. Diesem untragbaren Zustand hielt sie das sogenannte Reformkleid entgegen. In ihrem 1904 gemeinsam mit ihren Schwestern gegründeten Wiener Modesalon „Schwestern Flöge“ verkaufte sie untaillierte Kleider. Ihr Salon wurde bald zu einem führenden Modezentrum Wiens. Sie beschäftigte bis zu 80 Schneiderinnen und hatte Kontakte zu den führenden Designerinnen Europas, wie Coco Chanel. Erst müssten Frauen das Recht haben, zu atmen, alles andere würde darauf folgen, meinte Flöge. Die KünstlerInnen der Wiener Secession, auch die männlichen, unterstützen sie in ihrer Mission. Der Architekt Adolf Loos schrieb Artikel gegen die herrschende Damenmode und Koloman Moser, Gustav Klimt und andere Künstler der Wiener Werkstätte entwarfen für sie Kleider und Schmuck. Bis zu Klimts Tod im Jahr 1918 blieb sie dessen wichtigste Bezugsperson. 1938 musste sie den Modesalon schließen, da sie durch den Anschluss Österreichs an Nazideutschland den Großteil der Kundschaft verlor. Sie starb am 26. Mai 1952 in Wien.

     

3. Bertha von Suttner

Die Internationale Friedenskonferenz, die im Jahr 1907 in Den Haag stattfand, bedeutete eine ungemeine Frustration für die europäischen PazifistInnen. Besonders die österreichische Schriftstellerin und Friedensaktivistin Bertha von Suttner (1843-1914) sah eine Tragödie für die Menschheit herankommen. Pazifisten galten allerdings als unmännliche Vaterlandsverräter und Nestbeschmutzer. Kein Wunder also, dass Bertha von Suttner einen nicht zu gewinnenden Kampf für den Frieden führte, wenngleich ihr Roman „Die Waffen nieder!“ (1889) sofort nach Erscheinen ein Bestseller wurde. Alfred Nobel, der durch die Erfindung des Dynamits zu einem der reichsten Männer der Erde geworden war, unterstützte die Friedensinitiativen Bertha von Suttners, die 1873 für einige Wochen seine Privatsekretärin gewesen war, großzügig und war sogar Mitglied der Österreichischen Friedensgesellschaft. Von Suttners unumstößliche Überzeugung, dass Kriege eben nicht unvermeidlich wären, wie immer wieder argumentiert wurde, wurde von der Presse aufgenommen und lächerlich gemacht. Sie wäre hysterisch und doch nur eine Frau, zog man ihren heroischen Kampf für den Frieden in die Untiefen des Geschlechterkampfes hinab. Männer kämen vom Mars, Frauen von der Venus. Am 1. Dezember 1905 hielt Bertha von Suttner in Wiesbaden einen Vortrag über die Friedensbewegung, als sie aufgefordert wurde, Nachporto für ein unzureichend frankiertes Telegramm zu begleichen. Anfangs weigerte sie sich, bezahlte schließlich dann doch. „War der Mühe wert“, notierte sie später in ihrem Tagebuch, schließlich enthielt das Kuvert die Nachricht, dass ihr der Friedensnobelpreis zuerkannt worden war. Doch die Lage der PazifistInnen war so prekär wie nie zuvor, ganz Europa ahnte – oder ersehnte sogar – den bevorstehenden Krieg. Bertha von Suttner plante noch einen großen Weltfriedenskongress, der im Herbst 1914 in Wien stattfinden sollte. Am 21. Juni 1914 starb sie jedoch im Alter von 71 Jahren. Eine Woche danach fielen die Schüsse von Sarajewo, die geradewegs in den Ersten Weltkrieg führen sollten.

4. Clara Sperlich-Tlučhoř, Pädagogin (1869-1939)

„Ihre Haltung ist vorgeneigt, die Brust eingesunken, die Beckenneigung gering. Besorgte Mütter suchen diesem Schönheitsfehler durch das Mieder oder den Geradhalter abzuhelfen, Mittel, welche an Barbarei der Zwangsjacke nahe kommen!“ Clara Sperlich-Tluchor war eine leidenschaftliche Kämpferin gegen das Diktat des Korsetts. Als Turnlehrerin verurteilte sie dessen Anwendung auf das Strengste und setzte sich zeitlebens beharrlich für die Einführung des Mädchenturnens als Gegenmaßnahme gegen diese Tortur ein. Sie verfasste um die Jahrhundertwende zahlreiche Aufsätze zu diesem Thema, in denen sie darlegte, dass neben den gesundheitsfördernden Effekten auch positive Auswirkungen auf Psyche und Sozialverhalten der Schulabgängerinnen zu erwarten seien. Sie entwarf eigens auf diese Art des Turnunterrichts abgestimmte Konzepte und Übungsreihen, die in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts nach und nach in den Lehrplan aufgenommen wurden. In diesen Jahren veröffentlichte sie auch wichtige pädagogische Schriften, wie „Die Zahnpflege unserer Schulkinder“, (1916) oder „Erhöhte Reinlichkeitspflege zur Verhütung ansteckender Krankheiten“, (1921).

Emilie Flöge

Emilie Flöge

Rosa Mayreder

Bertha von Suttner

Die Waffen nieder!

Clara Sperlich

Aufbruch und Freiheitsdrang

Die Aufrechterhaltung der familiären Behaglichkeit in privater Sphäre galt für die bürgerliche Frau um 1800 als ihr oberstes Ziel, ihr Wirkungskreis umfasste im Wesentlichen Haushalt und Mutterschaft. Ob sie dieser „Berufung“ nun folgen wollte…..

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