VOM VERGESSEN ZUM ERINNERN
DER NATIONALFONDS DER REPUBLIK ÖSTERREICH FÜR OPFER DES NATIONALSOZIALISMUS
„Wir bekennen uns zu allen Daten unserer Geschichte und zu den Taten aller Teile unseres Volkes, zu den guten wie zu den bösen; und so wie wir die guten für uns in Anspruch nehmen, haben wie uns für die bösen zu entschuldigen — bei den Überlebenden und bei den Nachkommen der Toten.“
Aus der Rede von Bundeskanzler Dr. Franz Vranitzky vor dem Nationalrat am 8. Juli 1991, Auszug aus dem Stenographischen Protokoll der 35. Sitzung des Nationalrates
Im Jahr 1995, zum 50. Jahrestag der Zweiten Republik, wurde beim Parlament der Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus eingerichtet – ein später Ausdruck der besonderen Verantwortung gegenüber den Opfern des Nationalsozialismus. Seine Einrichtung war erst möglich geworden, als sich in Österreich das Bewusstsein in Bezug auf die Jahre des Nationalsozialismus wandelte: von der Sicht auf Österreich als das erste Opfer Hitlers hin zu einer differenzierteren Haltung, die auch Aspekte der Verantwortung nicht ausklammert.
1991 sprach Bundeskanzler Franz Vranitzky vor dem Nationalrat die historische Verantwortung Österreichs ausdrücklich an und stellte im Namen der Bundesregierung Hilfe für all jene in Aussicht, die bis dahin zu wenig Berücksichtigung gefunden hatten.
Vier Jahre nach dieser Erklärung nahm der Nationalfonds seine Arbeit auf. Etwa 30.000 aus Österreich stammende Überlebende weltweit haben seither die Gestezahlung der Republik angenommen. Auch künftig bleibt die Anerkennung und Unterstützung von Überlebenden eine zentrale Aufgabe des Nationalfonds, ebenso wie die Beratung von Opfern des Nationalsozialismus und deren Angehörigen.
Zu dieser ursprünglichen Aufgabe kamen im Laufe der Jahre weitere hinzu, die ebenfalls Ausdruck der historischen Verantwortung sind –
etwa Aufgaben in Zusammenhang mit der Restitution von Raubkunst, bei der Neugestaltung der österreichischen Ausstellung in der Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau oder in Zusammenhang mit der Shoah-Namensmauern-Gedenkstätte, die in Wien geschaffen wird.
2001 wurde mit dem Washingtoner Abkommen zwischen Österreich und den Vereinigten Staaten unter anderem die Grundlage für Restitutions- und Entschädigungsmaßnahmen durch zwei vom Nationalfonds administrierte Fonds geschaffen – den Allgemeinen Entschädigungsfonds für Opfer des Nationalsozialismus und den Fonds zur Instandsetzung der jüdischen Friedhöfe in Österreich.
Ein besonderes Anliegen sind die Förderung und Verbreitung von Wissen um den Nationalsozialismus, seine Folgen und das Schicksal seiner Opfer sowie die Wahrung des Andenkens an die Opfer. Der Nationalfonds fördert Projekte, die dem Bewahren der Erinnerung und dem Lernen aus Geschichte dienen, und publiziert auch selbst Erinnerungen von Überlebenden des Nationalsozialismus.
Die Weitergabe der Erinnerung an die jungen Generationen ist ein Beitrag für eine Zukunft, in der Diktatur, Rassismus und Antisemitismus keinen Platz mehr haben sollen.
Opferanerkennung
Der Nationalfonds wurde 1995 beim Parlament eingerichtet, um die Verantwortung Österreichs für alle Opfer des Nationalsozialismus auszudrücken. Er richtet sich daher an alle Überlebenden, unabhängig davon, aus welchem Grund sie verfolgt wurden – aus politischen...
Projektförderungen
Seit seiner Einrichtung ist die Förderung von Projekten ein zentrales Tätigkeitsfeld des Nationalfonds. Bei den Projekten werden alle Opfergruppen des Nationalsozialismus berücksichtigt. Ein Schwerpunkt liegt auf sozialen und medizinischen Projekten für Überlebende....
Kunstrestitution
Der Nationalfonds erhielt 1998 durch das Kunstrückgabegesetz den Auftrag, „erblose“ Kunstobjekte aus Museen und Sammlungen des Bundes zugunsten von NS-Opfern zu verwerten. Um Opfern des NS-Kunstraubes bzw. deren Nachkommen die gezielte Suche nach entzogenen...
Ausstellung Auschwitz-Birkenau
Im Block 17 des ehemaligen Konzentrations- und Vernichtungslagers und heutigen Museums Auschwitz-Birkenau entsteht eine neue österreichische Länderausstellung. 1978 wurde die erste, von ehemaligen Häftlingen initiierte und mitkonzipierte Ausstellung eröffnet. Die...
Instandsetzung jüdischer Friedhöfe
Das Washingtoner Abkommen sah auch die völkerrechtliche Verpflichtung Österreichs zur Restaurierung und Erhaltung bekannter und unbekannter jüdischer Friedhöfe in Österreich vor. Im Dezember 2010 wurde mit der Erlassung des „Bundesgesetzes zur Errichtung des Fonds zur...
Findbuch
Das Findbuch ermöglicht unter www.findbuch.at eine Suche nach Materialien zu NS-Vermögensentziehungen und österreichischen Restitutions- und Entschädigungsmaßnahmen in österreichischen Archiven. Es beinhaltet derzeit rund 212.000 Datensätze aus dem Österreichischen...
Antragskomitee
Der Allgemeine Entschädigungsfonds für Opfer des Nationalsozialismus wurde 2001 auf Basis des Washingtoner Abkommens eingerichtet. Das Ziel war eine umfassende Lösung offener Fragen der Entschädigung von Opfern des Nationalsozialismus für Verluste und Schäden, die als...
Schiedsinstanz für Naturalrestitution
Die aufgrund des Washingtoner Abkommens 2001 beim Allgemeinen Entschädigungsfonds eingerichtete Schiedsinstanz für Naturalrestitution konnte die Rückstellung von Liegenschaften und Superädifikaten bzw. von beweglichen Vermögenswerten jüdischer...
Empfehlungen der Schiedsinstanz für Naturalrestitution
Die Schiedsinstanz für Naturalrestitution hat insgesamt 140 Anträge auf Naturalrestitution empfohlen. Der Gesamtwert der Liegenschaften, deren Rückstellung die Schiedsinstanz empfohlen hat, beläuft sich auf rund 48 Millionen Euro. Die Abbildungen von Wien und...
Historische Recherche des Allgemeinen Entschädigungsfonds
Die historische Recherche des Entschädigungsfonds war unabdingbare Grundlage für die juristische Bearbeitung der Anträge. Um die Gleichbehandlung aller AntragstellerInnen zu gewährleisten, wurde darauf geachtet, dass in jedem Fall die gleichen, teilweise umfangreichen...
Dokumentation von Lebensgeschichten
Die Dokumentation und Publikation von Lebensgeschichten ist dem Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus ein großes Anliegen. Besonders angesichts des Generationenwechsels ist es umso wichtiger, diese biografischen Erinnerungen als...
AntragstellerInnen
Die AntragstellerInnen des Nationalfonds und des Allgemeinen Entschädigungsfonds leben oder lebten in über 80 Ländern der Welt. Die überwiegende Mehrheit der ÖsterreicherInnen, die vor einer Verfolgung in Österreich während der NS-Zeit geflohen waren, kehrten nicht...
Vermögensentschädigung
Das Antragskomitee des Allgemeinen Entschädigungsfonds konnte individuelle Entschädigungszahlungen für Verluste und Schäden in zehn verschiedenen Kategorien zusprechen. Diese Aufgabenstellung war im Vergleich zu anderen nationalen oder internationalen...
Verfahrensablauf
Grundprinzipien der Tätigkeit des Allgemeinen Entschädigungsfonds waren: im juristischen Sinne Gleiches gleich und Ungleiches ungleich behandeln, erleichterte Beweisstandards anwenden, die Arbeitsprozesse transparent gestalten und nicht zuletzt den AntragstellerInnen...
Verfahrensstatistik
Beim Allgemeinen Entschädigungsfonds langten 20.702 Anträge auf Vermögensentschädigung ein. Diese betrafen 37.623 Personen, deren Vermögensverluste geltend gemacht wurden. Bei 18.155 Anträgen wurde eine Entschädigung zuerkannt, bei 2.547 Anträgen nicht. Insgesamt...
Washingtoner Abkommen 2001
Am 17. Jänner 2001 unterzeichneten in Washington D.C. VertreterInnen der Republik Österreich, der Vereinigten Staaten von Amerika und von NS-Opferorganisationen das „Joint Statement“. Dieses war die Grundlage für das „Abkommen zwischen der Österreichischen...