Klimt als Zeichner
Klimts Zeichnungen sind fast ausnahmslos in Zusammenhang mit seinen Gemälden zu sehen. Von der Unmenge an Aktzeichnungen, die in den Ateliers des Malers entstanden, sind heute rund 4.000 Arbeiten – großteils Zeichnungen und nur wenige Aquarelle – erhalten geblieben. Nur wenige Zeichnungen sind signier t, denn Klimt hat diese Blätter bloß in Ausnahmefällen für die Öffentlichkeit bestimmt. Heute sind diese fließenden Anordnungen von Strichen stolzer Museumsbesitz oder begehrte Objekte auf dem Kunstmarkt. Zusätzlich hat Klimt seine Ideen und Motive in zahlreichen Skizzenbüchern festgehalten.
Stilistisch erfahren Klimts Zeichnungen, genauso wie seine Gemälde, den Wandel vom Historismus über den Jugendstil hin zu ersten frühexpressionistischen Arbeiten. Für die frühe Phase seiner Entwicklung sind Reinzeichnungen für das von Martin Gerlach 1881–1884 herausgegebene Werk „Allegorien und Embleme“ zu nennen, aber auch Studien für den Musiksalon des Palais Dumba 1898/99. Gegen Ende der 1890er Jahre macht sich der sogenannte „Schraffurenstil“ bemerkbar. Von rechts oben nach links unten verlaufende parallele Linien in der Art eines „grafischen Regens“ charakterisieren diese effektvolle Zeichenweise im Changieren von Hell und Dunkel.
Ab 1904/05 experimentiert Klimt mit neuen Formen und Techniken. Die geschwungene Linie tritt in den Vordergrund, die schwarze Kreide wird von hartem Bleistift abgelöst und auch aus dem Zeichenpapier, vormals meist Packpapier, wird nun schimmerndes Japanpapier. Ab dieser Zeit entsteht auch eine Vielzahl von erotischen Frauenakten. Um 1910 finden sich zudem verstärkt nahsichtige Brustbilder, die in ganz besonderer Weise die Psyche der dargestellten Person verdeutlichen.
Klimts Zeichnungen waren, im Gegensatz zu seinen Gemälden, selten einer besonderen Kritik unterworfen. Einzig der Vorwurf der Pornografie anlässlich einer Ausstellung in der Galerie Miethke in Wien im Jahr 1910 veranlasste ihn, in seinen letzten sieben Lebensjahren fast nicht mehr in Österreich aus- zustellen. Das Erotische seiner Zeichnungen liegt nicht allein in der Thematik begründet, sondern kommt auch in der dynamischen Umrisslinie der Akte und in den Kringeln und Kräuseln der Gewänder der Porträtierten zum Aus- druck. Vor allem jene Werke der Jahre ab 1910 waren es, die Klimts Weltruhm als Zeichner begründeten. Seine Akte scheinen nunmehr in gewisser Weise vergeistigt, entmaterialisiert und vereinigt mit dem Unendlichen.